Felicitas Andresen liest im Rahmen der "Meersburger Autorenrunde"

fee---Lene-im-Schilf---Johanna-WalserVor zwei Jahren veröffentlichte die Autorin Felicitas Andresen ihr interessantes "literarischen Road-Movie" ("Fichte im Bett") über Hegau und Bodensee, an dessen Ufer die Autorin geboren ist, wohnt und arbeitet. Mit dem Titel "Lene im Schilf" erschien jetzt ihr dritter Roman.

Belebend lebendig, leicht, ironisch und selbstironisch erzählt sie in dieser Salem-Novela aus der Sicht der Hauptfigur Lene über deren Schulzeit im Internat der Schloss-Schule Salem in den Fünfzigerjahren. Lene war sechzehn Jahre alt, ihre Sommerferien verbrachte sie bei einer Schulfreundin am Bodensee, wo sie sich in den Geiger Pierre verliebte.

Wie Lene besuchte auch die Autorin das Internat Salem. Als Kind einer armen Kriegerwitwe und Schauspielerin, die viel auf Tournee war, konnte sich Lene die teure Schule nur durch ein Stipendium leisten. "Die Adresse gehört zu mir wie eine Gewohnheit, wie Zähneputzen, wie Wasser-aus-der hohlen-Hand-Trinken, wie das Köpfen vom Frühstücksei mit dem Messer", bekennt sie. Sie entwickelte eine Verbundenheit mit dem Ort und den Menschen, die etwas wie Heimat schuf.

Die Vergangenheit wird lebendig Um sich in die damalige Zeit und ihre Persönlichkeit zurückzuversetzen, benützt sie die vergilbten Schwarz-Weiß- Fotos aus den Fünfzigerjahren. Der rhythmisch schnelle Strom ihrer Sprache, Bilder, Metaphern und Vergleiche, Gedanken, Übertreibung, erwecken die Farben, die Atmosphäre, ihr damaliges Bewusstsein, ihre Mitschüler und Lehrer wieder zum Leben. Immer wieder wechselt die Perspektive von der Sechzehnjährigen zu der heute Erwachsenen, die ihr früheres Bewusstsein deutet, kommentiert, erforscht.

Mit einem gemeinsamen Dauerlauf um Viertel vor sechs begann der arbeitsreiche Tag, die Regeln waren streng, der Raum war knapp, sie schliefen auf Klappbetten in Mehrbettzimmern. Vielleicht bezeichnet Lene deshalb das Internat als "schöne Kaserne aus dem 17. Jahrhundert".

"Im Streite zur Seite ist Gott uns gestanden. Er wollte, es sollte das Recht siegreich sein." Diese Zeilen aus dem Schullied der Schloss-Schule könnten dazu beitragen zu verstehen, welche Rolle den Schülern zugedacht war: Dass es ein Streit war, den sie zu bestehen hatten, in einer religiösen Rolle, wie Jesus sie vorlebte, also für Nächstenliebe, für deren Recht. Sie könnten ausdrücken, dass die christliche Religion für jeden die immerwährende Aufgabe ist, das Recht der Nächstenliebe durchzusetzen, also auch ein Widerstandspotenzial gegen Diktaturen sein kann. An diese Rolle der religiösen Tradition könnten sie anknüpfen wollen, nach den Schrecken der Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Kämpfe einer Sechzehnjährigen Mit sechzehn verliebt sich Lene in den Mitschüler Sven. Dem bereits erwachsenen Geiger Pierre kommt sie näher, als es ihr, der Sechzehnjährigen, schon entsprechen kann. Bald darauf heiratet er eine andere. Nach seelischen Kämpfen findet sie Zuflucht in der Gemeinschaft sympathisch beschriebener Jugendlicher, bei Mitschülern und in der Arbeit für die Schule. "Sonst Vorzeigeschülerin, was die Liebe zur Einrichtung angeht", klagt Lena plötzlich der neuen Schülerin Cindy, wie streng Schulalltag, Regeln und Strafen seien. Dann wieder verdächtigt sie sich selbst, sie sehe "alles in bösem Licht", habe "einen Teufelssplitter im Auge". Aber es ist das Leben selbst, das sie vor aller Einseitigkeit bewahrt.



weiterer Artikel zu "Lene im Schilf" - Quelle: Südkurier
18. Februar 2012

 

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